In diesem Beitrag möchte ich die Gedanken der Stoiker zu ihrer Emotionstheorie kurz darstellen, wie sie v.a. in der Sekundärliteratur zu finden sind.

Meine Quellen sind v.a. “Stoische Philosophie” von Anna Schriefl, “Stoicism” von John Sellars, “Die hellenistischen Philosophen” von Long/Sedley und “Philosophy as a Way of Life” von Pierre Hadot.

Tipp: um die Stoiker zu verstehen, lohnt es sich, seine bestehenden Vorstellungen über Bedeutungen von Wörtern einmal beiseite zu lassen.

Wie entstehen die “Emotionen”

Die pathê (~Emotionen, Leidenschaften, Affekte, passions) entstehen durch (meist falsche) Werturteile/Meinungen über etwas (an dieser Stelle gab es auch unterschiedl. Auffassungen bei den alten Stoikern, ob Emotionen das Produkt von Meinungen sind oder ob sie identisch sind). Es sind Meinungen über Dinge, die man für ein Gut oder ein Übel hält (Werturteile); es aber nach der stoischen Werte- und Güterlehre keine Güter oder Übel sind. Das einzige Gut für die Stoiker ist die Tugend.

Diese Emotionen sind daher irrational, da sie auf Irrtümern beruhen.

Meinungen (doxa) sind unverlässliche Vorstellungen (phantasia, die die Wirklichkeit nicht unbedingt erfasst), denen man seine Zustimmung gegeben hat (synkatathesis).

Die pathê stecken nicht in den Dingen selbst. Durch die Fähigkeit, einer Vorstellung zuzustimmen, haben wir die Möglichkeit, unsere Emotionen zu bearbeiten und uns von ihnen zu befreien.

Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen von den Dingen beunruhigen die Menschen. (V) Einige Dinge sind in unserer Gewalt, andere nicht. In unserer Gewalt sind: Meinung, Trieb, Begierde, Widerwille. kurz: Alles, was unser eigenes Werk ist. (I) – Epiktet, Handbüchlein der Moral

Meinungen können sich schnell ändern; die “Emotion” braucht einen Moment, bis sie verschwindet und nicht mehr wahrnehmbar ist.

“Der Impuls der Emotionen”

Zu einer vollständigen Emotion gehört auch der exzessive Impuls bzw. eine Handlungsmotivation. Chrysippus’ Gleichnis dazu: Ein solcher Impuls gleicht einem Menschen, der anfängt zu laufen und irgendwann Kontrolle über sein Laufen verliert und von seinen Beinen davon getragen wird.

Die Kategorien

Die Stoiker unterscheiden in ihrer Emotionstheorie vier Emotions-Kategorien:

  • Angst ist die Erwartung eines gemeinten Übels.
  • Begierde ist die Meinung, etwas sei gut und wird in der Zukunft hoffentlich erreicht
  • Lust ergibt sich, wenn man das Objekt der Begierde erlangt oder das Objekt der Angst vermeidet.
  • Schmerz stellt sich ein, wenn man man das Objekt der Begierde nicht erlangt oder das Objekt der Angst eintritt.

Die guten Emotionen

Außerdem kennen die Stoiker in ihrer Emotionstheorie drei “gute Emotionen” (eupatheiai):

Dem Stoischen Weisen, dem Idealbild der Stoiker, sprechen sie die folgenden Emotionen zu: vernünftiges Wollen/Gutwilligkeit, Vorsicht und Freude.

Die “Vor-Emotionen”

Die Stoiker kennen auch sogenannte propatheiai, eine Art Vor-Emotionen.

Das bedeutet, dass sich die Stoiker bewusst waren, dass es gewisse Eindrücke von außen gibt, die unwillkürlich auf einen einwirken. So kommt es, dass man erschrickt oder kurzzeitig verängstigt ist. Der Stoische Weise erkennt einen solchen Eindruck direkt, prüft ihn, entfernt das möglicherweise vorhandene unterbewusste Werturteil und stimmt dem Eindruck dann zu oder lehnt ihn ab.

“Befreiung”

Um sich von einer Emotion zu befreien, darf man also hinschauen, welches unbewusste Werturteil man pflegt und was man seine Zustimmung gegeben hat. Bei Bedarf korrigiert man die Meinung oder das Werturteil oder entzieht ihm die Zustimmung.

Beim Thema Emotionen geht es, nach Hadot, auch um prosochê – die Haltung und Praxis der Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment – eine grundlegende stoische geistige Haltung.

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