Glossar stoischer Begriffe

adiaphora

Adiaphora (ἀδιάφορα): gleichgültige Dinge; weder gut noch schlecht im absolut moralischen Sinne. Im stoischen Denken sind alle Dinge außerhalb unser Kontrolle (siehe prohairesis) gleichgültig, davon gibt es bevorzugte oder nicht bevorzugte Güter (proêgmena / aproêgmena).

Das Gesetz, das uns vorschreibt, den Menschen wohl zu tun und sie zu ertragen, macht sie uns zu den befreundetsten Wesen. Insofern sie uns aber hinderlich werden können, das uns Gebührende zu tun, ist mir der Mensch etwas ebenso Gleichgültiges wie die Sonne, der Wind, das Tier. Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen 5.20

agathos

Agathos (ἀγαθός): das Gute. Das Gute (und Böse) ist nur in uns, in unserer prohairesis, der freien Wahl in den Dingen, die in unserer Kontrolle sind, zu finden ist, nicht in äußeren Dingen - diese sind indifferent (adiaphora).

apatheia

Apatheia (ἀπάθεια): frei (a-) von Leidenschaften (pathos). leidenschaftslose Ruhe, Seelenfrieden. In der Verbform bedeutet ἀπαθέω (apatheo) von Leidenschaft befreien. Es ist ein Zustand, in dem man unbetrübt von Emotionen ist.

Siehe pathos.

aproegmena

Aproêgmena (ἀπροηγμένα): Gegenteil von proêgmena. nicht bevorzugte indifferente Dinge von relativ negativem Wert und natürlich unerwünschte Dinge, wie bspw. Krankheit.

dikaiosyne

Dikaiosunê (δικαιοσύνη): Gerechtigkeit. Diogenes Laertius bemerkte, dass für die Stoiker etwas gerecht ist, wenn "es mit dem Gesetz übereinstimmt und gemeinschaftsstiftend ist" (Leben und Lehren der Philosophen 7.99). Sie ist eine der vier Kardinaltugenden (d. h. Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Weisheit). In den "stoicorum veterum fragmenta" finden wir auch folgende Definitionen: "Gerechtigkeit ist ein Wissen, das jedem zuteilt, was ihm zusteht" (SVF III 262). "Gerechtigkeit führt zu Gleichheit und Güte" (SVF III 295).

doxa

Doxa (δόξα): Glaube, Meinung.

ekklisis

Ekklisis (ἔκκλισις): Abneigung; Neigung weg von einer Sache. Das Gegenteil von orexis, tritt aber oft zusammen mit ihm auf .

eupatheia

Eupatheia (εὐπάθεια): gute Leidenschaften oder Emotionen (im Gegensatz zu pathos), das Ergebnis korrekter Urteile und tugendhafter Handlungen.

Es gibt drei gute Emotionen: Freude (chara) als vernünftige "Hochstimmung", Vorsicht (eulabeia) als vernünftiges Vermeiden und vernünftiges Wünschen (boulesis). Zum Wünschen gehören auch Wohlwollen, Freundlichkeit und Zuneigung; zu Vorsicht Respekt und Bescheidenheit; zu Freude, Entzücken, gute Laune und Zufriedenheit (Diogenes Laertios 7.116).

horme

Hormê (ὁρμή): positiver Impuls oder "Handelnwollen" (als Ergebnis von orexis und unserer Zustimmung (synkatathesis)), das zu einer Handlung führt; das Gegenteil von aphormê.

Gedankenbrücke: "Ursprung des Wortes Hormon".

orexis

Orexis (ὄρεξις): Verlangen, Neigung zu einer Sache. Eine zielgerichtete Wahl (prohairesis). Das Gegenteil von ekklisis.

Orexis & ekklisis sind das Thema des ersten der drei Topoi oder Trainingsbereiche, die Selbstkohärenz erzeugen, die anderen beiden sind hormê/Aphormê und synkatathesis.

pathos

Pathos (πάθος): Leidenschaft oder Emotion, oft übertrieben und auf falschen Urteilen (doxa) beruhend.

Diogenes Laertius sagt, dass Zenon Leidenschaft/Emotion als eine irrationale und unnatürliche Bewegung in der Seele oder als übermäßiges hormê definierte (Diogenes Laertios 7.110). Trotz des weit verbreiteten Missverständnisses kannten die Stoiker bestimmte gute Leidenschaften (eupatheia), wenn auch in vernünftigen Grenzen: insbesondere Freude (chara), Vorsicht (eulabeia) und Wünschen (boulesis) (Diogenes Laertios 7.116).

proegmena

Proêgmena (προηγμένα): bevorzugt indifferente Dinge; sie tragen nichts zum Glück und zur Moral bei (daher indifferent, gleich-gültig), haben aber einen relativ positive Wert. Man kann auch sagen, sie sind natürlich wünschenswerte Dinge, wie bspw. Gesundheit. Gegenteil von aproêgmena.

prohairesis

Prohairesis (προαίρεσις): begründete oder bewusste Wahl, unser freier Wille zu wählen, die Sphäre der Wahl.

Der Begriff ist schon bei Aristoteles bekannt: Nikomachische Ethik III.5

Da also Gegenstand der Willenswahl etwas von uns Abhängiges ist, das wir mit Überlegung begehren, so ist auch die Willenswahl ein überlegtes Begehren von etwas, was in unserer Macht steht.

Vor allem bei Epiktet ist dies unser freier Wille bzw. die Fähigkeit zur freien und vernünftigen Selbstbestimmung. Das ist es, was den Menschen ausmacht.

synkatathesis

Synkatathesis (συγκατάθεσις): Zustimmung; Zustimmung zu Eindrücken, Vorstellungen und Urteilen, die das Handeln ermöglichen.


Quellen: u.a. College of Stoic Philosophers, Daily Stoic