Beleidigungen, Kränkungen, Lästereien oder blöde Kommentare sind ein unangenehmer Teil von Kommunikation. Das war bei den Stoikern vor 2000 Jahren in Griechenland oder Rom nicht anders als heute. Zum Glück wussten die Philosophen damals, wie sie sich dagegen “wehren” können, sodass sie die Beleidigungen nicht in ihrer Seelenruhe und Gelassenheit erschüttern. Wie sie das getan haben, erfährst Du in diesem Artikel.

Schwachstelle Autopilot

Gerade in “Wortgefechten” ist man mit seinen Gedanken derart in der Situation vertieft (Autopilot). Die Worte werden rauer und irgendwann fliegt die erste Beleidigung – ob absichtlich oder nicht. Und ehe man sich versieht, hat man sich von seinen Emotionen mitreißen lassen und mit einer Beleidigung reagiert.

Wie sowas enden kann, weißt Du bestimmt selbst.

Bewusste Pause und Abstand nehmen

Sobald Du merkst, dass Du nun emotional fortgerissen wirst, solltest Du kurz inne halten und ein paar mal tief durchatmen. (Die Pause mag Dir länger vorkommen als Deinem Gesprächspartner).

Versuche ein wenig Abstand von der Situation zu gewinnen. Tipps dazu findest Du in diesem Artikel.

Je nach Art der Beleidigung oder Lästerei haben die Stoiker die folgenden Tipps.

Beleidigungen entmachten

Bereite Dich darauf vor, dass Du beleidigt werden könntest

Es kann helfen, dass Du Dir klar machst, dass es auf jeden Fall Situationen, Dinge und Menschen gibt, die Deine Ansichten, Erwartungen oder Meinungen teilen. Wenn Du Dir das regelmäßig vor Augen hältst, also die Technik der negativen proaktiven Visualisierung anwendest, kannst Du schon gelassener auf solche Situationen reagieren.

Mach’s wie Kaiser Marcus Aurelius:

Sage zu dir in der Morgenstunde: Heute werde ich mit einem unbedachtsamen, undankbaren, unverschämten, betrügerischen, neidischen, ungeselligen Menschen zusammentreffen. Alle diese Fehler sind Folgen ihrer Unwissenheit hinsichtlich des Guten und des Bösen.
– Selbstbetrachtungen II 1

Viele haben vor dieser Technik Angst oder machen diese nicht, da sie ja quasi die Erlebnisse anziehen würde. Ich sehe es eher wie eine Ausbildung zum Ersthelfer: Ich hoffe, dass ich es nicht brauche, aber wenn, dann bin ich vorbereitet.

Die Visualisierung ist ja nicht bei der Beleidigung zu Ende, sondern sollte an dem Punkt enden, an dem man erfolgreich gelassen geblieben ist und die Situation zum Besseren gewendet hat, weil man einfach im Moment erkannt hat “Ah, eine Beleidigung.” und gelassen weiter spricht.

“Er war der Meinung”

Wenn dich jemand schlimm behandelt, oder Schlimmes von dir redet, so bedenke, daß er es tut oder redet in der Meinung, er sei im Recht. Es ist nun nicht möglich, daß er dem folge, was du für richtig hältst, sondern dem, was er dafür hält. Wenn nun seine Meinung falsch ist, so hat er den Schaden, sofern er sich in einer Täuschung befindet. Denn wenn einer eine richtige Satzverbindung für falsch hält, so schadet dies der Satzverbindung nichts, sondern dem, welcher sich geirrt hat. Davon ausgehend wirst du dich gegen den Lästerer sanftmütig betragen.
Denke nur jedesmal: er war der Meinung
– Epiktet, Handbüchlein der Moral, XLII

Jeder Mensch vertritt die Meinung oder Einstellung, die er für wahr hält (wirklich ;-)?). Jeder hat eine eigene Vorstellung von Leben und wie man Dinge zu tun hat. Daher ist es unausweichlich und eigentlich auch äußerst befruchtend, andere Meinungen zu hören. Daher ist es wichtig, anzuerkennen, dass der andere eben so denkt, dass das eben seine Meinung ist.

Falls er sich also täuscht, tut er sich keine Gefallen damit und wenn Du erkennst, dass er sich täuscht, ist das beste Mittel einfach sanftmütig zu bleiben – nicht arrogant.

Und noch was: der andere wird sich vielleicht auch so fühlen wie Du (vorher).

Hat sich jemand in etwas gegen dich vergangen, so erwäge sogleich, welche Ansicht über Gut und Böse ihn zu diesem Vergehen bestimmt hat. Denn sobald dir dies klar ist, wirst du gegen ihn nur Mitleid fühlen, aber dich weder verwundern noch zürnen. Denn entweder hast du über das Gute und über das Böse dieselbe Ansicht wie er oder doch eine ähnliche, und dann mußt du verzeihen, oder du hast über das Gute und Böse nicht diese Ansichten, und in diesem Falle wird dir Wohlwollen gegen den Irrenden um so leichter sein.
– Selbstbetrachtungen, VII.26

Beleidigungen kontern

Ignorieren: reagiere gar nicht erst darauf

Bei Querulanten hilft es auch gerne, Zwischenrufe oder Kommentare einfach zu ignorieren. Tue so, als wäre nichts gewesen.
Wenn sie keine Aufmerksamkeit bekommen, macht es ihnen keine Spaß.

Nimm es dir nicht so zu Herzen

Bedenke, daß nicht derjenige dich kränkt, welcher dich schmäht, oder schlägt; sondern die Meinung, als liege darin etwas Kränkendes. Wenn dich also jemand ärgert, so wisse, daß dich deine Meinung geärgert hat. Deßhalb versuche es vor Allem, dich nicht von der Vorstellung hinreißen zu lassen. Hast du nur einmal Zeit und Aufschub gefunden, so wirst du dich um so leichter beherrschen.
– Epiktet, Handbüchlein der Moral, XX

Woraus besteht eine Beleidigung? Lediglich aus Worten und einer Bedeutung. Und wer vergibt die Bedeutung der Worte? Richtig, Du selbst. Wäre es eine Fremdsprache, wüsstest Du ja gar nicht, dass er/sie Dich beleidigt hat. Was Epiktet hier anspricht, ist folgendes:

  1. Erkenne, dass Dich Deine Interpretation der Worte kränkt
  2. Nimm Abstand von Deiner emotionalen Reaktion (aber unterdrücke die Emotion nicht und lasse Dich nicht von ihr treiben)
  3. Handle gelassen

Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Die Gefahr besteht hier, dass man dem Gegenüber mit einer fast schon respektlosen Gleichgültigkeit und Unernsthaftigkeit gegenüber treten kann – à la “Lass den mal reden”.

Ich denke, dass es in so einer Situation einfach hilfreich ist zu erkennen, dass emotionales Handeln, sei es aus Wut oder Angst, selten zielführend ist.

Verbal Aikido: Kraft des Gegners nutzen und mit Humor Beleidigungen entkraften

Wenn dir jemand hinterbringt, daß der oder jener Schlimmes von dir rede, so verteidige dich nicht gegen das Gesagte, sondern antworte: Der wußte also nichts von meinen übrigen Fehlern, sonst würde er wohl nicht bloß von diesen gesprochen haben.
– Epiktet, Handbüchlein der Moral, XXXIII 9

Epiktet war ein Schlitzohr… Statt den Lästerer direkt anzugreifen, bezieht er zum einen sich selbst und seine Fehler mit ein und lässt den Angreifer ins Leere laufen und lässt ihn als Unwissenden da stehen. In dem Beispiel geht es nicht um eine direkte Konfrontation.

Beispiele

  •  “…hat gesagt, Du wärst schlecht im Bett”
    “Zum Glück weiß er nicht wie schlecht ich wirklich bin.”
  • “…hat gesagt, Du hättest keine Ahnung”
    “Ohja, und damit lebt es sich am besten!”
  •  “…meint, Du hättest keinen guten Mode-Geschmack”
    “Ja, für meinen schäbigen Geschmack habe ich noch nicht die passenden Kleider gefunden.”

Diskussion: Alles gleichgültig oder was ist mit meinem Selbstwert?

Wie sieht es in der Stoa mit dem Zurechtweisen oder Bestrafen von Lästerern oder aggressive Querulanten aus?
Sollte man sich wirklich alles nicht so zu Herzen nehmen und die Meinung anderer als gleichgültig betrachten?
Ich fühle mich halt von solchen Menschen angegriffen, was soll ich tun?

Das Thema ist eine Gratwanderung in der Diskussion der aktuellen stoischen Philosophie. Daher widme ich diesem Thema einen neuen Beitrag.

Wie gehst Du mit Beleidigungen um? Welche Erfahrungen hast Du mit den oben dargestellten Methoden gemacht? Helfen Dir diese Tipps? Schreib’s in die Kommentare!

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