Tugend und Indifferentes - Güter- und Werttheorie

tugend indifferent

Die Stoiker unterscheiden in ihrer Philosophie zwischen Tugend & Laster und den indifferenten Dingen (~gleichgültigen, adiaphora).

Nur die Tugend ist ein Gut bzw. gut und die Laster sind schlecht. Die Tugend ist die "eigentümliche Exzellenz eines Wesens" - vielleicht sowas wie Virtuosität oder Exzellenz von etwas. Beim Menschen bedeutet das eine exzellente, vollkommen rationale, im Einklang mit der Natur stehende Vernunftfähigkeit bzw. der daraus resultierende Charakter.

Neben der Tugend gibt es auch die Tugenden, also sowas wie Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung, u.v.m. - diese sind auch gut. Mehr dazu auch in diesem Artikel: Tugenden der Stoa – Exzellenz des Charakters

Das Gute muss nützlich sein. Bei der Tugendhaftigkeit kommt es darauf an, das, was einem im Leben begegnet und passiert, bestmöglich zu verwenden, also einen gerechten, weisen, tapferen und selbstbeherrschten Gebrauch davon zu machen. Es gibt viele Dinge in der Welt, die für sich genommen weder einen direkten Nutzen haben noch direkt Schaden zufügen; erst der Gebrauch dieser Dinge bestimmt über Nutzen und Schaden. Daher setzen die Stoiker Tugend auch mit Wissen (episteme) gleich, da es theoretisches und praktisches Wissen dazu bedarf, die Dinge richtig zu gebrauchen; man kann daher auch von einer Kunst sprechen: der Lebenskunst.

Der Tugendhafte ist frei von störenden, irrationalen Emotionen (nicht Emotionen per se), die auf Basis von falschen oder unbegründeten Urteilen über die Dinge in der Welt entstehen.

Die Stoiker packen das gute Leben, das sie auch mit der Tugend identifizieren, in die Verantwortung eines jeden einzelnen Menschen, also in seine Kontrolle und sei nicht von äußeren Umständen abhängig.

Häufige Einwände, auch schon in der Antike, bspw. bei Cicero, sind z.B., dass diese Gütertheorie, nur die Tugend sei ein Gut, weltfremd sei. Wie soll man unter Schmerzen oder Krankheit glücklich sein?

Dagegen kann man halten, dass es nicht bedeutet, dass andere Dinge, dazu komme ich gleich, überhaupt nicht geschätzt werden, doch sie befinden sich nicht in der gleichen Kategorie wie die Tugend/-en. Zum anderen garantiert ja gerade die Tugend, dass man mit den Dingen richtig umgeht. Sie macht Schmerzen oder Probleme nicht weg - manche mag sie allerdings vermeiden, aber das ist nicht im Bereich unserer Kontrolle - sie hilft dabei, mit den Schmerzen, Problemen, Einschränkungen und Schicksalsschlägen (immer besser) richtig umzugehen.

Und zu guter Letzt verhilft die Tugend zur Einsicht, dass es Dinge gibt, die von begrenztem Wert sind. Diese schauen wir uns jetzt an.

Die indifferenten Dinge (adiaphora)

Wie oben angedeutet, ist es nicht so, dass die Dinge, die weder Tugend noch Laster sind, vollkommen ohne Wert seien. Vielmehr unterscheiden sie sich dadurch, ob sie naturgemäß sind oder nicht. Naturgemäß sind z.B. Gesundheit, Reichtum, Anerkennung oder Schönheit. Nicht naturgemäß sind z.B. Tod, Krankheit oder soziale Ächtung.

TugendLasterIndifferent

Wenn auch schon in der Antike kritisiert, gibt es eine Einteilung der Indifferentia. Denn wie soll man sinnvoll handeln, wenn alles "gleich gleichwertig" ist? (Und wenn man dann den stoischen Determinismus noch fatalistisch auslegt, dann wollte es das Schicksal so, dass ich mich nicht um meine Gesundheit kümmere...)

Die Basis der stoischen Ethik liefert auch hier eine Antwort. Der oikeiosis-Lehre zu Folge strebt ein Mensch zuvorderst nach dem, was seiner körperlichen Selbsterhaltung dient. Erst später folgt die Entwicklung der eigenen Vernunft. Doch darunter leidet das Streben nach körperlicher Selbsterhaltung, Besitz oder Anerkennung nicht. Vielmehr basieren seine Handlungen und Entscheidungen nun auf Wissen/Tugend. Der Stoiker/der stoische Weise macht die gleichen Dinge wie ein Nicht-Weiser, doch mit anderer Emotionalität. Die "Unwissenden" pflegen auch Beziehungen oder ihren Körper, aber vielleicht mehr aus Angst oder Egoismus heraus - statt aus der Tugend heraus.

Ein großer Unterschied zwischen dem Tugendhaften und dem Untugendhaften ist, dass der Untugendhaften den Wert der indifferente Dinge über- oder unterschätzt - oft aber überschätzt - also quasi so an ihnen hängt, weil er denkt, er brauche diese Dinge für sein Glück.

So kann es auch passieren, dass ein Stoiker oft zwischen bevorzugt indifferenten Dingen abwägen muss: wenn ein Herrscher unter Androhung des Todes von seinen Untertanen einen höheren Zehnten (Steuern) eintreibt, so schätzt der Stoiker sein Leben höher ein als seinen Reichtum.


Quellen & weitere Vertiefung: Anna Schriefl, Stoische Philosophie

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